Dienstag, September 26, 2006

Leave Me Alone

'Wenn du dir selbst nicht helfen willst dann kann ich dir nicht helfen, dann kann dir keiner helfen!'
'Wir haben doch oft genug drüber gesprochen, pack die Dinge doch einfach an'
'Du bist eine wunderschöne Frau, du hast ein perfektes Leben - ich versteh nicht warum du dir selbst soviele Probleme machst...'

...sagen Freunde. Sagen die wenigen Freunde die ich habe. Aber: ich will mir doch helfen. Ich will mein Leben genießen. Ich will leben.
Ich habe angefangen normal zu essen - warum sieht keiner dass das ein Erfolg ist? Naja, essen ist ja das normalste der Welt, wieso sollte das auch ein Problem sein...
Ich kann immer noch nicht vertrauen... Aber wie soll ich einer Welt vertrauen die Äußerlichkeiten liebt? Die nur meine Stärken sieht - an Schwächen kann man ja arbeiten... Die denkt wenn man nur will dann kann man auch...
Vielleicht denke ich zuviel nach? Vielleicht will ich perfekt sein? Aber wenn man nicht perfekt sein kann, warum sollte man dann leben? Wenn man etwas macht, wieso sollte man nicht das beste daraus machen?

Ich verzweilfe gerade so ein bißchen: bin ich irgendwie total falsch gepolt, oder will mich nur keiner verstehen? Ich frage mich selbst ob ich wirklich etwas tue um mich zu ändern - oder ob ich einfach zu blöd oder zu schwach bin....? Vielleicht ist es ja wirklich so einfach wie alle sagen - und ich schaffe es nur nicht?! Und wieso bin ich so wie ich bin? Wieso mache ich Probleme, wo eigentlich keine sein sollten? Ich mache doch eigentlich gar nicht so viel falsch...?

Bin gerade am Ende.... ich würde mich so gern verletzten... besser ich geh einfach nur schlafen... wenn ich es mir schon mit allen Menschen versaue die mir ans Herz gewachsen sind... nur weil ich so unfähig bin zu leben... ?!

Freitag, September 22, 2006

Zahlen

Baaah... mein BMI ist jetzt 19,4. Unmöglich! Will da weg! ...und trotzdem normal essen... und mich vorallem besser fühlen. Hab überlegt dazu jetzt wirklich erst mal nur das zu essen was ich zu vertragen scheine.
Frühstück: Butterbreze. Obst geht nicht (gleich wieder Hunger), Cornflakes finde ich auch nicht so toll (unterwegs nicht möglich) und Schinken oder Käse oder so bringe ich früh noch nicht runter.
Mittags/ Nachmittags: meine Pastagerichte.
Abends: kleiner Snack (Schokopudding, Jogurt, belegtes Brötchen).
Und damit gehts mir dann hoffentlich besser was Gefühl und vorallem Schlaf angeht.

Donnerstag, September 21, 2006

Unterwegs

Fühl mich besser. Hatte einen sehr sehr schönen Tag, habe die Sonne genossen und bin entspannt mit der Bahn durch Deutschland gereist.
Was mich beeindruckt hat: habe mich mit einer alten Dame unterhalten, die immer genau das gesagt hat was sie dachte. So direkt, dass ich manchmal gar nicht wußte wie ich reagieren sollte. Im positiven Sinne. Schade dass nur so wenige Menschen so sind! Dass so wenige über ihre Gefühle und Gedanken reden und stattdessen lieber 'posen' und Masken aufsetzen.

3 a.m.

...und schon wieder... Ich kann nicht schlafen, kann keinen klaren Gedanken fassen. Ich fühle nur noch Fett - aufgeblähter Bauch, wabbelige Oberschenkel, breiter Arsch. Drei Uhr morgens...

Wieso kommt das immer wieder? Nachts und unbewusst? Ich fühl mich so eklig, und gleichzeitig will ich nur noch schlafen!

Gedanke: würde ich besser schlafen wenn ich dünner wäre? Wahrscheinlich würde ich dann vor Hunger wachliegen... oder aus Angst vor der Waage - aber vielleicht wäre das besser?
Nein, dann irgendwie ist ja beides falsch - ich möchte einfach nur normal essen und nachts schlafen können.
Außerdem habe ich nachts noch nie so krass auf Essen reagiert: abends das falsche gegessen, und die Nacht ist vorbei. Kann aber doch nicht jeden Tag dasselbe essen...?!

Montag, September 18, 2006

Kämpf mich durch die Nacht

Wieder einmal nicht geschlafen. Seit langem mal wieder wach gelegen, hin und her gewälzt und fett gefühlt. Diesen dicken Bauch gespürt und widerlich gefühlt...

Wieso? Hm, ich habe was ungewohntes gegessen - normalerweise ernähre ich mich immer von denselben oder ähnlichen Sachen über den Tag hinweg. Ansonsten würde mich auch interessieren warum gerade jetzt wieder solche 'ich bin fett' Anfälle kommen.

Gegenmaßnahme: gewohntes Essen (Butterbreze, Pasta mit Gemüse z.B.), mehr fällt mir auch nicht ein.

Hoffe ich komm da bald wieder raus!

Sonntag, September 17, 2006

Nothing more to give

Ein ruhiges Wochenende! Schön! Die letzte Woche war ziemlich anstrengend, zumindest emotional gesehen... und jetzt: allein sein, schlafen, bißchen raus gehen, für mich sein!
Frag mich nur ob das 'bei mir sein' ist.... oder wie es sich anfühlt bei mir zu sein. Ohne diese Mauer um mich rum, die Menschen und Gefühle abschirmt und beruhigende Neutralität schafft... Aber zumindest fühle ich mich wohl.

Körpergefühl ist gerade eher doof. Dick?! War gestern in der Stadt und habe ein paar total schlanke und zarte Frauen gesehen. Hab mich mal wieder wie ein Trampel gefühlt. (Ja, die vielen Leute die dicker und häßlicher sind als ich sehe ich natürlich nie!). Werde wohl nie zu einem zarten Wesen mit wunderschöner Haut und duftenden glatten Haaren mutieren (wieso wurde ich eigentlich mit dicken wolligen Haaren bestraft? Haare die grundsätzlich zu trocken sind und machen was sie wollen? Ich habe nichtmal Lust auf Friseur, der ändert daran nämlich auch nicht sonderlich viel...). Auf jeden Fall: Ich habe mich häßlich gefühlt und mich in der Menge versteckt. Ich hatte Lust mich zu verletzten, vielleicht piercen zu lassen, aber da stand ich zum Glück drüber. Und das 'Aber' funktioniert ganz gut: ich weiß ja dass ich keine zarte Figur bin, aber trotzdem bin ich irgendwo schlank und sehe nicht so schlecht aus... (Ich glaube nur zu selten daran).

Freitag, September 15, 2006

Liebling, wir bringen die Kinder um...

Gestern im Spiegel gesehen: eine Anzeige für die neue RTL2 Serie "Liebling wir bringen die Kinder um!". Auf dem Bild zwei dicke Erwachsene mit zwei übergewichtigen Kindern - da musste ich ja mal gucken was dahintersteckt. Anscheinend ein wahnsinnig pädagogisch-einfühlsames Konzept... ich weiß nicht ob mir die Kinder, die Eltern oder die Zuschauer mehr leid tun sollen. Wenn solche Serien wenigstens ein bißchen über gesunde Ernährung reden würden...

Dienstag, September 12, 2006

Wenn du die anderen ignorierst, kannst du nicht verraten oder verletzt werden... aber du wirst das Gefühl der Einsamkeit nie los.

Samstag, September 09, 2006

Sein und Zeit

Wein und Schokolade und Musik und ein gutes Buch. Entspannung pur. Dazu ein kurzes Update... auch wenn es gar nicht soviel zu sagen gibt.

Essen funktioniert gut. Überraschend gut. Zwei bis drei Mahlzeiten am Tag, ich fresse selten, esse einfach normal.
Nicht wiegen funktioniert so ein bißchen. Ich wollte mich in den letzten Tagen immer wiegen, weil ich mich so gut und irgendwie auch schlank gefühlt habe. Habe Bestätigung gesucht. Heute konnte ich nicht widerstehen: 54 kg, alles in Ordnung. Vielleicht sollte ich mir einen Wiegetag im Monat genehmigen? Ich merke wie gut mir das tägliche nicht-wiegen tut - aber ich brauche doch hin und wieder eine Zahl. Ist das zuviel Kontrolle? Zuviel Abhängigkeit? Ich finde einmal wiegen im Monat ok - aber was passiert wenn ich unerwartet viel oder wenig wiege...? Falle ich dann wieder in alte Rythmen zurück?
Parallel dazu suche ich nach Kritik. Aktuell: meine Oberarme. Sie sind wie die von anderen Frauen. Oben dicker, dann langsam dünner werdend. Ich wollte immer dass die Ellbogen dass dickste an den Armen sind. Hm, jetzt habe ich Arme, mit Fleisch und Muskeln und Fett. Werde mich wohl dran gewöhnen müssen - und werde trotzdem ein bißchen auf sie aufpassen.
Therapie tut gut. Nervt teilweise, wenn ich zum xten mal gefragt werde was ich bei diesem oder jenen gefühlt habe. Meine Gefühle bestehen aus 'neutral', 'fett', 'unglücklich' und 'ok'. Ort der Gefühle: der Kopf. Dementsprechend wenig kann ich erstmal mit Fragen wie "Wo verorten Sie denn das Gefühl?" anfangen. Bauch? Magen? Brust? ...alles noch sehr seltsam. Jetzt darf ich ein Gefühlsprotokoll schreiben - ich finde das alles wahnsinnig anstrengend und fühle mich etwas überfordert. Ein Gefühl näher zu beschreiben und zu verorten ist dann aber doch sehr interessant. Ich lerne!
Ansonsten: viel Unruhe. Ich fühle mich teilweise ohnmächtig (Ha, gelernt!), teilweise unruhig (nein, Unruhe ist kein Gefühl.... Unsicher!), insgesamt aber zufrieden... Ich verdränge noch zuviel, und dann ist das Gefühl 'neutral'. Und das sollte nicht sein...

Soviel für den Moment. Ich hoffe ihr vergesst alle nicht zu leben und zu fühlen und zu essen und glücklich zu sein. Wäre mir wichtig. Wirklich!

Freitag, September 08, 2006

Die Geschichte vom Huhn

Es war einmal ein kleines rotes Huhn. Es scharrte auf dem Boden neben der Scheune und fand ein paar Weizenkörner. Es rief seine Freunde herbei und sagte: "Wenn wir diese Körner säen, werden wir Brot zu essen haben. Wer hilft mir beim Säen?"
"Ich nicht.", sagte die Kuh.
"Ich nicht.", sagte die Ente.
"Ich nicht.", sagte das Schwein.
"Ich nicht.", sagte die Gans.
"Dann mache ich es!", sagte das kleine rote Huhn und begann zu säen.

Der Weizen wuchs und reifte, bis er gelb wurde. "Wer hilft mir bei der Ernte?", fragte das kleine rote Huhn.
"Ich nicht.", sagte die Ente.
"Das entspricht nicht meiner Ausbildung.", sagte das Schwein.
"Ich würde meine Alterszulage verlieren.", sagte die Kuh.
"Ich würde mein Arbeitslosengeld nicht mehr bekommen.", sagte die Gans.
"Dann mache ich es!", sagte das kleine rote Huhn und begann zu ernten.

Dann musste das Brot gebacken werden. "Wer hilft mir beim Brotbacken?", fragte das kleine rote Huhn.
"Dann müsste ich Überstunden machen.", sagte die Kuh.
"Ich würde meine Sozialhilfe nicht mehr bekommen.", sagte die Ente.
"Für mich hat man immer alles getan, ich kann das nicht.", sagte das Schwein.
"Wenn nur ich alleine dir helfen würde, wäre das sozial ungerecht.", sagte die Gans.
"Dann mache ich es!", sagte das kleine rote Huhn.

Es backte fünf Brotlaibe und zeigte sie seinen Freunden. Alle wollten davon und verlangten ihren Anteil. Aber das kleine rote Huhn sagte ihnen: "Nein, ich kann sie alleine aufessen."
"Nutznießer!", schrie die Kuh.
"Dreckiger Kapitalist!", brüllte die Ente.
"Ich will, dass man meine Rechte respektiert!", fügte die Gans hinzu.
Und das Schwein stimmte allen grunzend zu.

Sie malten die Worte "Ungerechtigkeit" und "Nutznießer" auf Spruchbänder und demonstrierten gegen das kleine rote Huhn und beschimpften es.

Da kam ein Vertreter der Behörden und sagte dem kleinen roten Huhn: "Du darfst nicht so habsüchtig sein."
"Aber ich habe mir das Brot verdient!", sagte das kleine rote Huhn.
"Das stimmt genau.", sagte der Beamte, "Es ist die Öffnung und die Möglichkeit, dass das System den freien Unternehmen bietet. Jeder auf dem Bauernhof kann so mehr arbeiten und so viel verdienen, wie er kann oder will. Aber nach den schon lange geltenden Regeln des Staates und der Bürokratie müssen die Produktivsten ihre Produkte mit den faulen Bewohnern des Bauernhofes teilen. Du darfst dich darüber nicht beschweren. Es wird durch die Bewohner des Bauernhofes und den Beamten nach demokratisch aufgestellten und abgestimmten Gesetzen geschehen und ich kann die versichern, dass ich diese Gesetze sehr genau kenne."

So wurden Ordnung und Glück auf dem Bauernhof wieder hergestellt. Das kleine rote Huhn begnügte sich damit, dem Beamten höflich zu sagen: "Ich bedanke mich bei Ihnen dafür, dass sie die Gesetze so gut kennen und sie so gut angewendet haben."

Aber seine Freunde fragten sich, warum es von diesem Tag an kein Brot mehr auf dem Bauernhof backte, sondern an einem weit entfernten Ort, der von Beamten nicht kontrolliert wurde.

Mittwoch, September 06, 2006

Isn't it ironic?

125g Pasta, 1/4 Zucchini, 2 Tomaten, 50g Frischkäse - Und ich sitze davor und bin nach der Hälfte pappsatt....
Viel los zur Zeit in meinem Gefühlskarusell, die Uni verlangt nach mehr Zeit, der Job nach neuen Herausforderungen, und ich.... ich weiß ja oft nicht so genau wonach ich verlange. Aber diese ganze Unruhe irritiert mein Hungergefühl. Ich habe heute den ersten Tag seit langem, an dem ich mich zum Essen zwingen muss. Zumindest zum Abendessen - zwei Butterbrezn wären, zumindest was die Kalorien angeht, zu wenig gewesen für nen normalen Menschen - d.h. für mich.
10:00 Butterbreze (250 kcal)
16:00 Butterbreze (250 kcal)
20:00 Pasta (400 kcal)
Naja, jetzt bin ich total satt und noch viel mehr irritiert darüber dass ich kein Essen runterbekomme. Welch Ironie, wenn ich da auf meinen letzten Eintrag blicke...

Pluspunkte heute: die beschriebene Unruhe hat mich endlich mal etwas vorangetrieben. Auch wenn ich immer noch viel weniger tue als ich könnte - ich habe mal wieder eine Herausforderung gefunden, meine Diplomarbeit wird jetzt hoffentlich bald geschrieben werden!

Minuspunkte: Ich gehe aus dem Büro, den ganzen Tag nicht geraucht, und frage in der Fussgängerzone zwei Typen (Aussehen: super cool, Designerklamotten, Sonnenbrille) nach Feuer. Die beiden sprachen definitiv deutsch! Was passiert? Sie gucken mich an, sagen kein Wort. Der eine greift nach dem Feuerzeug. Er guckt mich an, steckt das Feuerzeug langsam wieder ein, dreht sich um und geht wortlos weiter. Der andere war eh schon weiter, dreht sich nochmal um, guckt auf meine Zigarette und auf mich, schaut blöd, geht weiter.
*wham* Ich habe gedacht mich schmeißt es um. Ich bin selten so abschätzig angeguckt worden.
Erster Gedanke: Ich muss total widerwärtig sein! Ich hasse mich.
Zweiter Gedanke: Ich muss abnehmen und es solchen Arschlöchern zeigen.
Dritter Gedanke: Ich wollte doch nur Feuer, ich weiß dass ich nicht soooo widerwärtig bin...oder bin ich so häßlich? So uncool?
....und dann der letzte: wieso mag mich auf dieser verdammten Welt eigentlich keiner? Wieso bin ich so abstoßend?
Hm, nach ein paar Minuten gings mir wieder gut - das ganze hat sich angefühlt als ob ich in drei Minuten allen Selbsthaß und alle Verzweiflung über mich auf einmal durchlebe.

Montag, September 04, 2006

Nicht immer nur aufwärts

Hatte heute irgendwie einen typischen ES-Tag. Gegessen ohne direkt Hunger zu haben, sondern nur um auf Gefühle zu reagieren und die Leere zu füllen. Habe zuviel gegessen...
Was ich aber sagen kann: ich gehe damit um einiges besser um als noch vor ein paar Wochen. Trotzdem fühle ich mich unwohl, auch dick - meine Hosen spannen ein bisserl, und ingesamt war der Tag einfach nicht so toll.
Muss an einer etwas gesünderen Ernährung arbeiten!

Sonntag, September 03, 2006

Reiß dich zusammen!

Es war einmal eine kleine Frau, die einen staubigen Feldweg entlanglief. Sie war offenbar schon sehr alt, doch ihr Gang war leicht und ihr Lächeln hatte den frischen Glanz eines unbekümmerten Mädchens.
Bei einer zusammengekauerten Gestalt, die am Wegesrand saß, blieb sie stehen und sah hinunter.
Das Wesen, das da im Staub des Weges saß, schien fast körperlos. Es erinnerte an eine graue Decke mit menschlichen Konturen.
Die kleine Frau beugte sich zu der Gestalt hinunter und fragte: "Wer bist du?"
Zwei fast leblose Augen blickten müde auf. "Ich? Ich bin die Traurigkeit", flüsterte die Stimme stockend und so leise, dass sie kaum zu hören war.
"Ach die Traurigkeit!" rief die kleine Frau erfreut aus, als würde sie eine alte Bekannte begrüßen.
"Du kennst mich?" fragte die Traurigkeit misstrauisch.
"Natürlich kenne ich dich! Immer wieder einmal hast du mich ein Stück des Weges begleitet."
"Ja aber...", argwöhnte die Traurigkeit, "warum flüchtest du dann nicht vor mir? Hast du denn keine Angst?"
"Warum sollte ich vor dir davonlaufen, meine Liebe? Du weißt doch selbst nur zu gut, dass du jeden Flüchtigen einholst. Aber, was ich dich fragen will: Warum siehst du so mutlos aus?"
"Ich..., ich bin traurig", sagte die graue Gestalt.
Die kleine, alte Frau setzte sich zu ihr. "Traurig bist du also", sagte sie und nickte verständnisvoll mit dem Kopf. "Erzähl mir doch, was dich so bedrückt."
Die Traurigkeit seufzte tief.
"Ach, weißt du", begann sie zögernd und auch verwundert darüber, dass ihr tatsächlich jemand zuhören wollte, "es ist so, dass mich einfach niemand mag. Es ist nun mal meine Bestimmung, unter die Menschen zu gehen und für eine gewisse Zeit bei ihnen zu verweilen. Aber wenn ich zu ihnen komme, schrecken sie zurück. Sie fürchten sich vor mir und meiden mich wie die Pest."
Die Traurigkeit schluckte schwer.
"Sie haben Sätze erfunden, mit denen sie mich bannen wollen. Sie sagen: 'Papperlapapp, das Leben ist heiter.' und ihr falsches Lachen führt zu Magenkrämpfen und Atemnot. Sie sagen: 'Gelobt sei, was hart macht.' und dann bekommen sie Herzschmerzen. Sie sagen: 'Man muss sich nur zusammenreißen.' und sie spüren das Reißen in den Schultern und im Rücken. Sie sagen: 'Nur Schwächlinge weinen.' und die aufgestauten Tränen sprengen fast ihre Köpfe. Oder aber sie betäuben sich mit Alkohol und Drogen, damit sie mich nicht fühlen müssen."
"Oh ja", bestätigte die alte Frau, "solche Menschen sind mir auch schon oft begegnet..."
Die Traurigkeit sank noch ein wenig mehr in sich zusammen. "Und dabei will ich den Menschen doch nur helfen. Wenn ich ganz nah bei ihnen bin, können sie sich selbst begegnen. Ich helfe ihnen, ein Nest zu bauen, um ihre Wunden zu pflegen. Wer traurig ist hat eine besonders dünne Haut. Manches Leid bricht wieder auf wie eine schlecht verheilte Wunde und das tut sehr weh. Aber nur, wer die Trauer zulässt und all die ungeweinten Tränen weint, kann seine Wunden wirklich heilen. Doch die Menschen wollen gar nicht, dass ich ihnen dabei helfe. Stattdessen schminken sie sich ein grelles Lachen über ihre Narben. Oder sie legen sich einen dicken Panzer aus Bitterkeit zu."
Die Traurigkeit schwieg. Ihr Weinen war erst schwach, dann stärker und schließlich ganz verzweifelt. Die kleine, alte Frau nahm die zusammengesunkene Gestalt tröstend in ihre Arme. Wie weich und sanft sie sich anfühlt, dachte sie und streichelte zärtlich das zitternde Bündel.
"Weine nur, Traurigkeit", flüsterte sie liebevoll, "ruh dich aus, damit du wieder Kraft sammeln kannst. Du sollst von nun an nicht mehr alleine wandern. Ich werde dich begleiten, damit die Mutlosigkeit nicht noch mehr Macht gewinnt."
Die Traurigkeit hörte auf zu weinen. Sie richtete sich auf und betrachtete erstaunt ihre neue Gefährtin:
"Aber..., aber - wer bist eigentlich du?"
"Ich?" sagte die kleine, alte Frau schmunzelnd. "Ich bin die Hoffnung."